Eine Saison im Südlichen Burgund. (www.bourgogne-du-sud.com)
Nicht weit südlich von unserem Winterplatz in St. Jean de Losne(www.saintjeandelosne.fr) beginnt oberhalb von Chalon sur Saône der Canal du Centre. Er führt über 112 Kilometer von der Saône nach Digoin an der Loire. In Flussrichtung der Loire entlang führt anschliessend der Canal latéral à la Loire nach Briare oder man kann, wie wir es getan haben, ab Digoin über den Canal de Roanne à Digoin 56 Kilometer durchs obere Loiretal hinauf nach Roanne fahren.
Canal du Centre.
Geschichte zum Kanal.
Der ursprüngliche Canal du Centre wurde 1783 bis 1793 erbaut, war 114 Kilometer lang und hatte 81 Schleusen. 55 Aquädukte wurden gebaut, um den Kanal über diverse Hindernisse zu führen und 62 Brücken überspannten den Kanal.
Der schönste Aquädukt der Strecke ist der Pont Canal de Digoin
11 Häfen entstanden und 13 Wasserspeicherseen wurden angelegt um den Kanal ganzjährig mit Wasser zu versorgen. Durch den Canal du Centre wurde zusammen mit den bereits bestehenden Kanälen Canal de Briare und Canal du Loing die Verbindung zum Pariser Becken geschaffen und letztendlich Mittelmeer und Atlantik über Wasserstrassen verbunden.
Erste wesentliche Veränderungen erfuhr der Canal du Centre 1838. Der Bau des Canal de Roanne à Digoin und der gleichzeitige Anschluss des neuen Canal latéral à la Loire erweiterten die Schifffahrt im Südburgund. Zu jener Zeit wurden die Wasserspeicherseen des Canal du Centre auf 24’000’000 Kubikmeter erweitert.
Um die Stadt Gueugnon mit ihren Keramikfabriken zu erschliessen, wurde 1869 der Seitenkanal Rigole d’Arroux angelegt. Auf diesem Seitenkanal fuhren bis 1957 Schiffe mit den Maximalabmessungen von 27m x 2.5m. Heute sind westlich von Digoin nur noch die ersten 400m des Seitekanals zu sehen, beginnend mit einer Hebebrücke über den Kanal, anschliessend dem Pont Canal über die Bourbince und am Ende mit der ersten Schleuse (Hubhöhe 2.60m) und dem Kanal-Überlaufwehr in die Bourbince.
Die grössten Veränderungen erfolgten anfangs 20. Jahrhundert. Der Kanal wurde für Schiffe der Freycinet-Klasse ausgebaut. Schon um 1850 waren die Schleusen von ursprünglich 28.5m auf 32m verlängert worden. Jetzt aber, um Schiffe mit einer Länge von knapp 40 Metern, einer Breite von 5 Metern und einem Tiefgang von bis zu 1.8 Metern passieren zu lassen, mussten unzählige Brücken neu errichtet werden, diverse Kanalabschnitte breiter und tiefer ausgegraben und die Kurven erweitert werden. Wo es möglich war wurden die Schleusen abermals vergrössert. Das oberste Kanalstück auf der Saône-Seite musste komplett neu geplant werden. Die alten Schleusen waren nicht nur zu klein, sie standen auch zu dicht hintereinander. Dort entstanden neue Schleusen mit doppelter Hubhöhe anstelle von jeweils zwei alte Schleusen. Ebenfalls wurden zwischen Chagny und Chalon sur Saône einige Schleusen durch Schleusen mit doppelter Hubhöhe ersetzt.
Die sieben Schleusen von Les 7 Ecluses im 19. Jahrhundert.(Postkarte)
Letzte Veränderungen erfuhr der Canal du Centre anfangs 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Stadt Chalon sur Saône benötigte Platz für eine grosse Hauptstrasse und opferte dafür das Kanalstück das durch die Stadt führte. Nördlich von Chalon wurde für den Canal du Centre ein neuer Anschluss zur Saône gegraben. Die drei Schleusen des zugeschütteten Kanalstücks wurden am neuen Kanal durch eine einzige Schleuse von über 10 Meter Hubhöhe ersetzt.
Durch all diese Kanalumbauten ist der Canal du Centre heute noch 112 Kilometer lang und verfügt über 26 Schleusen vom Scheitelpunkt bis zur Loire und auf der Seite zur Saône nur noch über deren 35.
Neben der heutigen Schleuse Méditerranée 6 ist die einzige noch erhaltene alte Schleuse zu sehen.
Es ist die von 28.5m auf 32m verlängerte ehemalige Schleuse Nummer 9.
Im dazugehörigen Schleusenwärterhaus befindet sich das Kanalmuseum und neben Haus und Schleuse steht eine Peniche mit Freycinet-Mass an Land. Der Laderaum des 39 x 5 Meter grossen Schiffes ist ebenfalls zum Museum umgenutzt.(www.bateau-musee-canal.com)
An dieser Peniche sollte man keinesfalls vorbeifahren! Selbst Kleinstgruppen werden liebevoll persönlich durchs Museum geführt und es gibt enorm vieles zu sehen und zu erfahren.
Ursprünglich verdankt die Region den Kohlen- und Erzvorkommen ihren Aufschwung. Der Ort Montceau les Mines zum Beispiel, im Zentrum des Bergbaugebietes von Montchanin, Blanzy, Montceau und Sanvignes les Mines gelegen, wuchs ab 1850 innert weniger als dreissig Jahren vom 2’000 Seelendorf zur Stadt mit 24’000 Einwohnern. Parallel zum Kohle- und Erzbergbau entwickelte sich die Stahlindustrie in Le Creusot. Le Creusot liegt am Rande des Bergbaugebietes nördlich der Scheitelhalterung des Canal du Centre. In Le Creusot gab es im 18. Jahrhundert eine königliche Giesserei und 1786 liess Königin Marie-Antoinette eine Kristallmanufaktur mit zwei grossen Brennöfen bauen. Wegen der, aus damaliger Sicht, beinahe unbeschränkten Vorräte an Kohle und Eisenerz kamen 1836 die zwei Brüder Schneider nach Le Creusot und begannen mit dem Aufbau eines Stahlwerkes. 1837 kauften Sie die Kristallmanufaktur und nutzten sie über Generationen als Familiensitz und Repräsentationsbau.
Das Château de la Verrerie. Ehemaliger Familiensitz der Familie Schneider.(Postkarte)
Die beiden Brennöfen des Château de la Verrerie wurden umgebaut. Im einen befindet sich heute eine Kapelle und im anderen ist ein kleines Theater in italienischem Stil eingebaut worden.
Der ehemalige Brennofen der das Theater beherbergt.
Blick ins „petit teâtre“ der Familie Schneider.
Während beinahe 200 Jahren waren Le Creusot, französischer Stahl und Metallbau und das Familienimperium Schneider ein einziger Begriff. Staatsmänner, Kriegsminister und Industrielle waren im Château de la Verrerie zu Gast.
Die Firma Schneider produzierte zuerst Gusskanonenrohre. Mit Hilfe der ersten Dampfmaschine im Industriebereich und der Eisengewinnung durch Gusspuddeln konnte Schneider von 1836 bis1867 Metallverarbeitende Maschinen, Lokomotiven und Schiffe herstellen. Der erste Dampfhammer ( 21 Meter hoch, mit einer Schlagkraft von 1300 Tonnen) erinnert heute noch an jene Zeit. Man begann weltweit zu exportieren. Die Lokomotiven und Schiffe wurden immer grösser und Grossdampfmaschinen und Dampfkessel wurden gebaut. Die Zuliefer- und Abtransportmöglichkeiten mussten erweitert werden. Von der Kanal-Scheitelhalterung aus liess Schneider bei Montchanin einen Tunnel graben. Der Zweigkanal Rigole de Torcy entstand und verband die Stahlwerke mit dem Canal du Centre.
Rigole de Torcy. Hafenbecken der Firma Schneider um 1881.(Postkarte)
Ein riesiges Industriegebiet entstand und ab 1900 wurden bei Schneider nun auch elektrische Strassenbahnen, grosse Gasmotoren und Hochöfen hergestellt. Bis Mitte 20. Jahrhundert kamen dann noch Dieselmotoren, Fernkampfartillerie und Verpanzerungen, Wasserkraft- und Dampfturbinen und Stahlbrücken für den Export hinzu.
Heute ist das Château de la Verrerie ein grosses Museum. (www.ecomusee-creusot-montceau.fr)
Unbeabsichtigt gründete der Bau des Canal du Centre einen weiteren Industriezweig. Beim Ausheben des Kanals wurde brennbare Tonerde entdeckt und es entstand eine starke Ziegel-, Kachel- und Keramikindustrie.
In den besten Jahren standen 350 Brennöfen entlang des Canal du Centre.(Postkarte vom Hafen von Digoin) In der Schiffsmitte ist der Ladebaum und der Stall gut zu erkennen. Als Zugtiere wurden meistens nordafrikanische Esel verwendet. Sie sind kleiner als ihre europäischen Artgenossen.
Herr Perrusson, Besitzer der gleichnamigen Keramikfabrik in Ecuisses, hat damals die Hausdächer der firmeneigenen Arbeiterhäuser mit den verschiedensten Dachziegeln gedeckt und seine eigene Villa mit allen möglichen Kachelvarianten verziert und zum „Musterkatalog“ hergerichtet.
Detail vom Dach der Villa Perrusson.(Bild vom Museumsprospekt).
Der heutige Canal du Centre.
Ein Kanal lebt von und mit den fahrenden Schiffen. Die Berufsschiffahrt hat von 650 Schiffen um 1800 bis auf 10’000 Schiffe im Jahre 1936 zugenommen. 1950 wurden noch 5’500 Schiffe gezählt, 1992 noch 400 Schiffe. Für 1999 wird die Zahl von 150 Berufsschiffen angegeben und heute meinte ein Schleusenwärter auf meine Frage nach der Berufsschifffahrt, es würden noch 10-15 Frachtschiffe pro Jahr vorbeikommen. Glücklicherweise hat sich die Freizeitschifffahrt entwickelt. Die erste Zählung von 1982 ergab 400 Schiffspassagen. 1999 wurden bereits 2000 Passagen gezählt.
Der Canal du Centre hat einiges zu bieten. Er führt durch ruhige ländliche Gegenden. Für Radfahrer und Spaziergänger gibt es viele Kilometer gut unterhaltene ehemalige Treidelpfade. Mit den Städten und Orten Chalon sur Saône, Chany, Montceau les Mines, Le Creusot, Paray le Monial und Digoin kommen aber auch die Liebhaber von Städtebummeln und Einkaufstouren oder die Baukunst- und Kulturinteressierten auf ihre Kosten. Entlang des Kanals laden viele kleine Orte zum Verweilen ein. Burgundische Schlösser und Weingüter sind vom Schiff aus zu erreichen und in Santenay gibt es ein Casino. Von der täglich frischen Baguette und den regionalen kulinarischen Köstlichkeiten zu sprechen ist schon beinahe überflüssig!
Canal de Roanne à Digoin.
Dieser Kanal ist 56 Kilometer lang und hat heute 10 Schleusen. Eröffnet wurde er 1838 und verbindet den Canal latéral à la Loire bei Digoin mit der Stadt Roanne. Am oberen Ende des Kanals, in Roanne, wurde ein riesiges Becken von 850 Meter Länge und 75 Meter Breite ausgehoben. Durch ein Flusswehr wurde die Loire in Roanne gestaut und garantiert über einen Verbindungskanal für genügend Wasser im grossen Hafenbecken und im Canal de Roanne à Digoin. Ursprünglich gab es am Kanal 13 Schleusen für Schiffe von einer Grösse von 30m x 4m. Wie die meisten alten Wasserstrassen wurde auch dieser Kanal in den Jahren 1898 bis 1905 ans Freycinet-Mass angepasst. Der Kanal musste tiefer ausgegraben werden und alle Schleusen wurden verlängert. An drei Orten wurden anstelle von zwei alten Schleusen eine neue Freycinet-Schleuse mit hoher Hubhöhe gebaut. Der Canal de Roanne à Digoin hat seither nur noch 10 Schleusen, davon aber zwei mit einem Hub von 6.00 Metern und eine mit einem Hub von 7.30 Metern. Die 56 Brücken über den Kanal mussten alle umgebaut werden um genügend Durchfahrtshöhe und -breite zu erhalten.
Die Stadt Roanne zählt ca 40’000 Einwohner und ist die Hauptstadt im oberen Loiretal. (www.mairie-roanne.fr) Durch ihre gute Lage und den frühen Anschluss an die Eisenbahn war die Stadt schon im 19. Jahrhundert eine wichtige Industriestadt. Roanne ist der südlichste Punkt, der auf Frankreichs zentralem Wasserstrassennetz zu erreichen ist. Heute ist die Stadt mit dem grossen Hafenbecken, das direkt am Zentrum liegt, zum beliebten Überwinterungsort für viele Wasserwanderer geworden.
Hafenanlage in Roanne.
Der Kanal von Roanne nach Digoin verläuft mitten in der Natur und hat bis zu 18 Kilometer lange schleusenfreie Strecken. Immer wieder wird man auf der rechten Seite von der Loire in ihrem breiten Flussbett begleitet. Die Ortschaften entlang des Kanals sind kleine, aber schöne Dörfer. Landwirtschaft, vor allem die Zucht der Charolais-Rinder, prägt das Landschaftsbild neben der Loire. Nicht zu Unrecht wird der Canal de Roanne à Digoin auch der stille Kanal genannt.
Idyllischer Canal de Roanne à Digoin.
Viele Burgund-Informationen für Reisende, Hotelgäste, Velofahrer, Kulturliebhaber, Geniesser und für alle Anderen findet man unter www.bourgogne-decouverte.com.
Informationen über das obere Loiretal und die Gegend rund um Roanne sind auch unter www.leroannais.com nachzulesen.
HD07.
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