Der Motorfrachter

Die Geschichte des Motorfrachters (1940-1980)

Am 20. Dezember 1939 stellt Jan Jacobs de Jong den Antrag auf eine neue Registrierung seiner Aak im Schiffsregister und wird am 21. Dezember 1939 letztmals als Eigner der „de twee Gezusters“ eingetragen.

Die Schiffskennungsnummer ist neu, und auch die Aak selber hat sich verändert: Erstmals wird eine Achterkabine erwähnt; davor (zuhinterst im Laderaum) steht jetzt ein Motor. 16-18 PS stark ist der Zweitakt- Glühkopfmotor, der mit Rohöl betrieben wird. Das Schiff liegt nun im Hafen von Zwolle.

Bei einem weiteren Eintrag vom 28. Dezember 1939, dieses Mal im Register von Zwolle, wird die Ijsselaak neu unter dem Namen „Disponibel“ geführt. Das Ladevermögen der Aak ist mit 50 Tonnen plus Reserve angegeben. Beidseitig des Rumpfes wird die maximale Tauchtiefe eingetragen und das Ladevermögen von 51,306 Tonnen eingraviert.

„51,306 ton“ Maximalladevermögen und -tauchtiefe. Eingraviert 1939.

Nur ein Tag später, am 29. Dezember 1939, wird Jan Jacobs Sohn Jacob de Jong, von Beruf Schiffer, wohnhaft im nur vier Kilometer von Noordwolde entfernten Wolvega, neuer Besitzer der Aak. Er bezahlt seinem Vater 3’500 Gulden für die schuldenfreie Ijsselaak.

Im gleichen Winter gibt es einen weiteren, für die de Jongs einschneidenden Registereintrag. Vermutlich nicht ganz freiwillig verkauft Jacob de Jong seine eben erst übernommene Ijsselaak am 2. März 1940 an die Handelsfirma „Waalsteen“ in Nijmegen. Diese bezahlt zwar 4’000 Gulden für das Schiff, aber Jacob de Jong erhält nur 1’600 Gulden. Der Hauptteil des Erlöses geht direkt an Jacobus Slurink aus Zwolle. Jacob de Jong hat bei ihm eine beglaubigte Schuld von 2’400 Gulden zu begleichen. Immerhin sieht der Verkaufsvertrag ein jederzeitiges Rückkaufsrecht des Schiffes für Jacob de Jong vor.

Im selben Protokoll wird die Aak wegen des eingebauten HMG-Motors erstmals nicht mehr Frachtsegler sondern Motorfrachtschiff genannt. „HMG“ ist die „Hanseatische Motoren Gesellschaft“, eine Motorenbaufirma in Hamburg-Bergedorf. Es ist zu vermuten, dass, im Zusammenhang mit dem Motoreinbau und der Umbenennung des Schiffes in Motorfrachter, der Segelmast und die Seitenschwerter entfernt wurden. Mitverkauft wird auch das auf Deck stehende komplett ausgerüstete Ruderboot. Neu wird für die Schiffsgrösse nicht mehr die Ladekapazität aufgeführt. Als Mass gilt jetzt die Totalverdrängung. Sie wird im Kataster mit 60,270 Tonnen angegeben. Ob das Steuerhaus, das in den fünfziger Jahren existierte, bereits 1940 gebaut wurde, ist nicht bekannt.

Am 6. Oktober 1943 ist es dann soweit. Jacob de Jong kauft das Motorfrachtschiff „Disponibel“ für die damals vereinbarten 4’000 Gulden zurück. Die Firma „Waalsteen“ scheint die „Disponibel“ inzwischen erstmals versichert zu haben, denn Jacob de Jong wird im Rückkaufvertrag verpflichtet, die Schiffsversicherung unverändert zu übernehmen.

Wieder drei Jahre später, am 27. September 1946, verkauft Jacob de Jong die Ijsselaak an die Firma G. Kamphuis in Zwolle. Gerrit Kamphuis ist Baumaterial-Kaufmann. Er bezahlt 6’348 Gulden, um den Frachter zu erwerben und verpflichtet sich, die bestehende Versicherung zu übernehmen.

Am 13. November 1948 wechselt die „Disponibel“ erneut den Besitzer. Neuer Eigner wird Pouwel Sloots, Schiffer aus Groningen. Aus irgendwelchen Gründen erscheint P. Sloots aber nicht persnlich beim Notar, um das Schiff zu kaufen. Er lässt sich vertreten durch Jacob de Jong, Besitzer der Ijsselaak im Winter 1939/40 und vom Herbst 1943 bis Herbst 1946. Der Zustand der „Disponibel“ scheint nicht mehr optimal zu sein, das Ruderboot gibt es nicht mehr, und die Aak wird für nur 2’489.50 Gulden verkauft. Auch der neue Eigner verpflichtet sich, die Schiffsversicherung weiter zu führen.

Grosse Veränderungen an der „Disponibel“ sind im Katastereintrag vom 11. Oktober 1951 festzustellen. Pouwel Sloots verkauft die Aak an Jan Sloots, „ohne Beruf“, wohnhaft am Eemskanal 12a in Groningen. Der HMG-Glühkopfmotor hat ausgedient und ist nicht mehr vorhanden. Durch den Einbau einer Schotwand wurde der Laderaum verkürzt. Es ist ein abgeschlossener Motorraum zwischen Achterkabine und Laderaum entstanden, der von einem Eisendeck verschlossen wird. Darin steht ein 9 PS starker Bronsmotor, kleiner und leichter als sein Vorgänger. Vor allem ist er leichter zu starten und einfacher zu bedienen. Das Schiff wechselt für 3’000 Gulden den Besitzer.

Nur wenige Monate später, am 9. Juni 1952, kauft Christiaan Lubberts die „Disponibel“ für 5’500 Gulden. Lubberts, von Beruf Schiffer, wurde am 15. Januar 1922 in Oude Pekela geboren.  Gleichzeitig mit dem Kauf des Motorfrachtschiffes nimmt er zwei Hypotheken auf. Eine über 1’100 Gulden bei Johannes Wilhelmus Braak aus Winschoten, eine zweite über 4’600 Gulden bei Hendrik Lubberts an derselben Adresse.

Vom 1957 in Groningen erstellten vierten Meetbrief ist der Metingsmerk G9594N zwar bekannt, aber auf dem Schiff nicht mehr zu finden. Vermutlich beim Erstellen dieses Meetbriefes wird die Verdrängung neu ermittelt. Jedenfalls wird am 10. Juli 1957 beim Schiffsregisteramt in Sneek die Schiffsverdrängung von Christiaan Lubberts „Disponibel“ korrigiert, das heisst die maximale Verdrängung von bisher 60,270 wird neu mit 63,784 Tonnen angegeben. Beide im Kataster eingetragenen Verdrängungsangaben sind heute auf dem Rumpf nicht mehr zu finden. Interessant hingegen ist, dass heute noch beidseits des Rumpfes eine eingravierte Maximalverdrängung von 62,921 Tonnen zu erkennen ist, obwohl diese Zahl nie schriftlich erwähnt wurde. Diese zwei Gewichtskorrekturen nach oben betreffen also die Zeit von März 1940 bis Juli 1957. Zwischen 1940 und 1952 wurde das Steuerhaus gebaut. Ebenfalls wurde im Bugbereich, wo früher der Platz für das Gegengewicht des Segelmastes benötigt wurde, ein abgetrennter Raum verwirklicht. Diese Umbauten könnten die Gründe für die schrittweise Gewichtszunahme des Schiffes sein.

„62,291 ton“ ist die zwischen 1940 und 1957 eingravierte Maximalverdrängung. Diese höchst zulässige Tauchtiefe des Schiffes liegt sogar unter der früher gültigen Maximaltauchtiefe von 51.306 Tonnen Ladevermögen.

„Disponibel“ um 1954. Davor das Beiboot der „Disponibel“, dahinter ein unbekanntes Schiff.  (Foto zur Verfügung gestellt von Gea Lubberts).

Christiaan Lubberts lebte mit der ganzen Familie auf der „Disponibel“. Die Familie Lubberts transportierte mit ihrem Schiff Lebensmittel wie Kartoffeln und Rüben aber auch Kohle und Schlick. Gefahren wurde in der Provinz Groningen.

Im Steuerhaus führte auf der Steuerbordseite des Steuerrades eine Treppe in den Wohnraum (heutige Achterkabine). Schon damals gab es unter Steuerhaus und Achterdeck die Schlupfkoje. Wo heute quer zum Schiff ein Doppelbett mit Ablageflächen am Fuss- und Kopfende eingebaut ist, schlief damals die ganze Familie. Der Platz war in zwei Teile aufgeteilt. Die Betten standen in Schiffsrichtung. Auf der Backbordseite schliefen die Eltern und auf Steuerbord die drei Kinder. Gegen den Wohnraum waren die Schlupfkojen durch eine Türe abgetrennt. Im Wohnraum war auf jeder Seite unter dem Gangbord ein Schrank eingebaut. In der Mitte des Raumes stand ein Tisch und gegen die Wand zum Motorraum ein Holzofen. Der vor dem Wohnraum liegende Motorraum war nur von oben durch eine Luke im Eisendeck zugänglich. Der anschliessende Laderaum war mit hölzernen Ladeluken abgedeckt. Im Bugbereich, vor dem Laderaum, gab es noch einen kleinen Raum. Er diente als Stauraum und in ihm befand sich noch eine einzelne Bettstatt. Gea Lubberts erinnert sich: „Hier musste ich manchmal einsitzen, wenn ich nicht brav war.“

Familie Lubberts auf dem Deck ihrer „Disponibel“. Das Ladedeck besteht aus Holzluken und dahinter ist das Stahldeck von Motorraum und Achterkabine zu sehen. Das Bild entstand Anfangs sechziger Jahre und wurde uns von Gea Lubberts zur Verfügung gestellt. Gea Lubberts ist das Mädchen in der Mitte. Dank Ihrer Hilfe wissen wir heute einiges aus der Zeit um 1960.

Aus jener Zeit stammt auch Christiaan Lubberts Modell der „Disponibel“. 

Im Mai 1962 wird das vierte Kind der Familie Lubberts geboren. Im Oktober des selben Jahres erhält Christiaan Lubberts eine Stelle als Brückenwärter an der Gidieonbrücke in Groningen. Er zieht mit seiner Familie von der „Disponibel“ an den Europaweg 101 in Groningen.

Am 2. Februar 1965 wird der Kaufmann Jacob Th. de Leeuw neuer Eigner des Schiffes. Er wurde am 7. Juli 1917 geboren und wohnt am Kerkpad 17 in Haskerhorne. Er bezahlt für die Aak 3’700 Gulden. Am 19. Februar werden die zwei Hypothekarguthaben bei den Herren Baak und Lubberts gelöscht. Christiaan Lubberts hat nach dem Verkauf der Ijsselaak seine Schulden beglichen.

Laut Katastereintrag hat Jacob Th. de Leeuw das Schiff irgendwann an einen unbekannten Eigner verkauft welcher die Aak abermals weiterverkaufte. Diese beiden Eignerwechsel sind weder mit Eignernamen noch mit Datumsangaben versehen. Das Frachtschiff verlor an Wert und Bedeutung und wurde irgendwann ausser Dienst gestellt.

Dokumentiert ist im Jahre 1980 die Verkürzung der Ijsselaak um ca. fünf Meter auf einer Werft im holländischen Warga. Sie erfolgte in der Rumpfmitte. Die Schweissnähte sind nur am Rumpf und auf dem Gangbord sichtbar (der Kajütenaufbau ist neueren Datums).

Das halbrunde Speigatt musste neu ausgesägt werden. Die Schweissnähte sind an Rumpf, Fussreling und auf dem Gangbord zu erkennen.

Normalerweise sind bei der Aak die Seitenschwerter am Ende des ersten Rumpfdrittels platziert. Obwohl der Befestigungspunkt aufgrund der Verkürzung des Rumpfes verschoben wurde, montierte man die Seitenschwerter wieder am alten Ort.